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Filmkritik zu SPECTRE (Spoiler-Frei)

Eine beeindruckende Woche in London liegt hinter mir und nach meiner Rückkehr war das Reflektieren der Erlebnisse erster Punkt auf der Tagesordnung. Von der glamorösen Weltpremiere zu tollen Treffen mit alten und neuen Freunden und natürlich der Kinobesuch des neuen Bondfilms SPECTRE. Überraschend ruhig war ich und so gar nicht in Eile ihn zu sehen, etwas das ich als eher seltsam empfand.

Gemeinsam mit ein paar Freunden sah ich den mit Spannung erwarteten 25. Film der Bond-Reihe am vergangenen Dienstag im BFI IMAX in London. Da ich IMAX Kinos nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war dies meine erste “larger-than-life” Kinoerfahrung. Wie hätte man das besser erleben können als mit einem Bondfilm?

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The screen at the BFI IMAX

So, wie rezensiert man nun einen Film über den bereits so viel durch die Presse gegangen ist, über den wir soviel wissen und doch eigentlich so wenig. Bei den Bondfilmen nenne ich das erste Mal sehen das “Entertainment Screening”. Ich beurteile hierbei die Qualität des Films einzig nach den Richtlinien die der legendäre Bondproduzent Albert R. Broccoli einst festlegte: Für die Dauer von zwei Stunden wollen die Leute auf eine aufregende Reise durch exotische Orte genommen werden und sie wollen sehen, wie ihr Held die Welt rettet…alles für den Preis eines Kinotickets.  Dies bedeutet, dass ich meine Aufmerksamkeit nicht auf mögliche Storyschwächen, Fehler oder schlechte CGI Effekte richte, sondern mich zurücklehne und Broccoli’s Anforderungen vor mir auf der Leinwand entfalten lasse.

Pre-Title & Main Title

Der Film beginnt mit einer fesselnden pre-title Sequenz die einem bereits den Atem stocken lässt: wundervoll gefilmt, mit den ersten Minuten in einer Kameraeinstellung, katapultierte mich der Film direkt in die Action. Gekonntes Tempo und Ablauf dominieren die Szene. Die Helikopter Stunts, speziell der 360° Looping, bewirkten bei mir fassungsloses Kopfschütteln darüber, wie unglaublich und fesselnd das gefilmte Material ist. Dies ist Bond höchster Güteklasse und demonstriert die lobenswerte Hingabe und Expertenarbeit aller die an der Entstehung eines Bondfilms mitwirken.

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The Day of the Dead Parade in Mexico City

Die Main Title Sequenz, erneut produziert von Daniel Kleinman, besitzt zahlreiche wunderbare Highlights aber auch einige Seltsamkeiten die der Tatsache im Weg stehen, dass dies ohne sie womöglich die beste Bond Titelsequenz hätte werden können. Sam Smith’s Titelsong “Writing’s on the Wall” passt und ist stimmig, besitzt jedoch trotz allem nicht die Stärke anderer legendärer Bondsongs um mich vom Hocker zu reißen.

Von diesem Punkt an wird die Geschichte in Bewegung gesetzt. Ich hatte mich auf einen ikonischen Film vorbereitet der viele Elemente älterer Bondfilme zurückbringen würde. Je nachdem wie dies umgesetzt wird, kann es sehr knifflig sein oder in einem zwanghaften Überfluss enden wie wir ihn in “Stirb an einem anderen Tag” (2002) bewundern durften. In SPECTRE wurden der alte und neue Bond passend und harmonisch miteinander verwoben – ob einiges davon zuviel des Guten oder gar plump ist, liegt im Auge des jeweiligen Betrachters. Für meine Begriffe war der Mix gerade richtig.

DIE ACTION

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SPECTRE © 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc., Danjaq, LLC and Columbia Pictures Industries, Inc. All rights reserved

Da ich glühender Fan von Bond Actionsequenzen bin, war ich natürlich erfreut sie endlich in all ihrer Pracht sehen zu können. Wie oben bereits erwähnt war Mexico eine Wucht. Die nächtliche Autoverfolgungsjagd in Rom zwischen dem schnittigen Aston Martin DB10 und dem Jaguar C-X75 war gleichermaßen aufregend und unterhaltsam, hätte aber von einem Hauch mehr Wildheit profitiert. Österreich ließ mir erneut den Atem stocken. Eine sehr gut choreographierte, tempogeladene Actionszene mit umwerfenden Kameraeinstellungen und explosivem Finish. Die Action in Marokko kam leider ein wenig wie ein Videospiel daher. Bewaffnet mit einem großen Maschinengewehr erledigt Bond mühelos Ziele in weit und fern mit der Präzision eines Scharfschützen. In London wurde der Einsatz von CGI Effekten leider deutlich und die riesige IMAX Leinwand machte diese schmerzlich sichtbar. Zusammengefasst, wer nach Action sucht wird in SPECTRE reich belohnt ohne dauerhaft das Gefühl zu haben, man hat alles schon einmal gesehen.

DIE BÖSEWICHTE

Als feststand, dass die legendäre Terrororganisation S.P.E.C.T.R.E. ein Überraschungscomeback hinlegen würde, dachte ein Jeder natürlich automatisch an eine Wiedereinführung ihres Anführers, dem ebenso legendären Schurken Ernst Stavro Blofeld. Es war ein gut gehütetes Geheimnis, umgeben von Kontroversen. Deswegen gehe auch ich an dieser Stelle nicht weiter ins Detail. Der zweifache Oscargewinner Christoph Waltz spielt Bösewicht Oberhauser, eine Darbietung auf die ich mich bereits seit der offiziellen Ankündigung im Dezember 2014 sehr gefreut hatte. Leider wurde ich enttäuscht. In erster Linie benötigt ein Bond Schurke einen unübertroffen bedrohlichen Charakter und ich möchte mich wahrlich vor ihm/ihr fürchten. Dies war leider in SPECTRE nicht der Fall. Oberhauser ist nicht besonders angsteinflößend und kommt auch nicht als ernsthafte Bedrohung daher. Vielmehr ist er zu ruhig und reserviert.

Christoph Waltz as Oberhauser - SPECTRE © 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc., Danjaq, LLC and Columbia Pictures Industries, Inc. All rights reserved
Christoph Waltz als Oberhauser – SPECTRE © 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc., Danjaq, LLC and Columbia Pictures Industries, Inc. All rights reserved

Handlanger Mr. Hinx ist hingegen jemand, dem ich wirklich nie begegnen möchte. Niemals! Er ist groß, brutal und kein Mann vieler Worte. Er lässt lieber seine Fäuste sprechen. Die Kampfszenen zwischen ihm und Bond drücken all die richtigen Knöpfe und als dieser Hüne eine Flügeltür aufschlägt um seinen massiven Körper hindurchzupressen, bekommt man das Gefühl, Bond’s Gesicht könnte sogleich schmerzhaft umgestaltet werden. Dave Bautista liefert eine großartige körperliche Performance und sichert sich somit einen wohlverdient hohen Rang in der langen Liste von Bond Handlangern.

DIE BOND GIRLS

spectreGleich zu Beginn, ich weigere mich “Bond Damen” zu sagen. Die eindrucksvolle Liste von talentierten Schauspielerinnen, die Rollen in den Bondfilmen übernommen haben, ist ein Eliteclub und jede Darstellerin sollte sich geehrt fühlen, Teil von eben jenem zu sein. Alter spielt hierbei keine Rolle. In SPECTRE werden wir gleich mit drei bemerkenswerten Schauspielerinnen konfrontiert, von welchen zwei Nebenrollen bekleiden. In Mexico verzaubert uns Stephanie Sigman mit geheimnisvoller Schönheit. Haare und Make-up auf den Punkt. Monica Bellucci übrnimmt in Rom und liefert eine starke, dramatische Performance in ihrem Zusammentreffen mit James Bond. Die Szene ist spannungsvoll und Bellucci’s Schauspiel überzeugend. Man wird als Zuschauer in den Moment hineingezogen. Trotzdem, ich hätte mir ein wenig mehr Zeit im Film für die großartige italienische Schauspielerin gewünscht.

James-Bond-Spectre-Character-Poster-1In ihrer Rolle als Dr. Madeleine Swann verkörpert die französische Schauspielerin Léa Seaydoux das Haupt-Bond Girl. Lässt man jetzt mal die ewig gleichen und zu Hauf wiederholten Interviewfetzen beiseite (“sie ist eine starke unabhängige Frau, Bond ebenbürtig”), so ist Seydoux’s Figur ein Bond Girl welches wir in dieser Form bereits in vorherigen Filmen gesehen haben. Stimmt, sie ist schlagfertig und sicherlich nicht bloß Betthäschen, selbiges war aber bereits mit Vesper Lynd in “Casino Royale” (2006) und Camille Montes in “Ein Quantum Trost” (2008) der Fall. Zugegeben, da versteckt sich etwas unübliches in Madeleine Swann. Sie ist mit weit mehr konfrontiert als nur einem mysteriösen britischen Agenten der ihren Weg kreuzt. Sie hat eine Geschichte, Sachen die ihr auf der Seele liegen und Gefühle die sie verstehen und kontrollieren muss. Zu gleichen Teilen können wir Ablehnung und Harmonie zwischen Bond und Swann erleben und das sehe ich als großartige Verbesserung.

DIE DREHORTE

Alle Drehorte in SPECTRE entfalten eine fantastische Wirkung und das unglaubliche Talent von Kameramann Hoyte van Hoytema macht diesen Film zu einem der visuell beeindruckendsten Bonds. Die Mexico Szenen mit der spektakulär lebhaften Tag der Toten Parade profitiert von ungewöhnlichen Kameraeinstellungen und Schwenks. Rom ist aufgrund des Einsatzes von faschistischer Mussolini Architektur zunächst sehr stimmungsvoll. Die nächtliche Autoverfolgungsjagd nimmt das Publikum mit auf einen Kurztrip vorbei an berühmten Gebäuden der Ewigen Stadt welche wunderschön ausgeleuchtet wurde.

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SPECTRE © 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc., Danjaq, LLC and Columbia Pictures Industries, Inc. All rights reserved

Die Szenen in der marokkanischen Wüste bedienen sich an weiten, offenen Flächen mit wenig Raum zur Flucht. Eine menschenfeindliche Landschaft welche die misanthropische Einstellung von Bösewicht Oberhauser perfekt wiederzuspiegeln scheint. Die Wüste hat er für seinen Unterschlupf auserkoren. Zu guter Letzt rundet London den Drehort-Cocktail gekonnt ab und van Hoytema ist es gelungen, viele Facetten der Stadt neu einzufangen. Für zukünftige Bond Location Touren werden wir gar mit einigen neuen Orten versorgt.

VORLÄUFIGES URTEIL

Nachdem wir aus dem IMAX kamen, fragten meine Freunde gleich nach meiner Meinung. War das gut oder schlecht? Was nach einer simplen Frage klingen mag, ist mit diesen beiden Auswahlmöglichkeiten kaum zu beantworten. Gemessen am puren Unterhaltungsfaktor ist SPECTRE einer der besten Bondfilme und man bekommt für sein Kinoticket allerhand geboten. Es war ein großartiger Spaß, eine fantastische Achterbahnfahrt sowie auch dramatische Darstellung von Bond und der S.P.E.C.T.R.E. Organisation. Man spürt die Länge des Films nicht, das empfinde ich als sehr positiv. In meinem persönlichen Ranking toppt SPECTRE seinen Vorgänger “Skyfall”, was genau dem Versprechen von Regisseur Sam Mendes entspricht. Auf einer Skala von 1-10 gebe ich SPECTRE vorläufig eine solide 9.

Alles weitere kann ich erst nach einem zweiten Kinogang bewerten. Zudem gibt es da eine Menge Details auf welche ich in einer spoiler-freien Kritik momentan noch nicht eingehen kann. Daher ist diese Kritik hier zunächst als definitive Empfehlung für den Film zu beatrachten. Sobald der Film international eröffnet hat, werde ich mich an eine zweite, detailliertere Kritik wagen.

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